BEWEGTE ZEITEN BEIM WEINGUT POLZ
Die Genussgolferin im INTERVIEW mit Topwinzer Erich Polz jun. – Ein Gespräch über die Suche nach „dem Wesentlichen“, Inspiration und die Rolle der Musik
Es ist eine Mischung aus Evolution und Revolution, was bei einem der Spitzen-Weingüter der Steiermark, dem Polz in Strass, stattfindet. Erich Polz jun., der 2020 das traditionsreiche Weingut von Vater Erich und dessen Bruder Walter übernommen hatte, fokussiert sich auf das, was den Betrieb einst groß gemacht hat: Konzentration auf das Vinifizieren von herausragenden Weinen aus den Top-Lagen der Region wie Grassnitzberg, Hochgrassnitzberg oder Obegg. Die Anbaufläche wurde um 25 Prozent verkleinert.
„Die Hauptarbeit des Winzers ist das Handwerk, wo es nicht egal ist ob man es kann oder nicht kann. Die Kenntnis um die Materie, die Handgriffe zu können um ein gutes Traubenmaterial zu bekommen und dann im Keller in die Flasche zu bringen. Man kann es nicht nach einem Rezept abarbeiten. Jeder Stock, jede Rebsorte, jeder Weingarten ist anders, jedes Jahr ist anders, da tauchen immer viele Fragen auf.“
…sagt Erich polz jun. im hinblick auf die unternehmerische zukunft
Gewonnen wurde durch diese Verschlankung eine neue Freiheit und Beweglichkeit, die der Winzer nutzt, um die Qualität der Weine auf eine neue Ebene zu heben: „Ein großer Verdienst der Marke Polz ist, dass Verlässlichkeit und Konstanz immer da gewesen sind. Viele Menschen, die sich heute mit Wein beschäftigen, haben vor 25, 30 Jahren begonnen Wein zu trinken. Das war die Zeit, als der Weinbau in der Steiermark aufblühte. Damals war Polz neben anderen Kollegen in der ersten Reihe mit dabei. Somit begleiten wir viele Weintrinker seit Jahrzehnten. Wer Polz trinkt, hat immer etwas Gutes, Solides und handwerklich Einwandfreies im Glas “, erklärt er. Er wählt seine Worte überlegt und mit Bedacht. Man merkt, dass sich hier ein Mensch viele Gedanken macht.
VOM DIRIGENTENPULT AUF DEN WEINBERG
Es ist eine spannende Lebensgeschichte, auf die Erich Polz jun. trotz seiner erst 37 Jahre zurückblicken kann: Aufgewachsen am berühmten Weingut seiner Familie, schien der Weg vorgegeben – nämlich gemeinsam mit Bruder Christoph irgendwann das Weingut zu übernehmen. Zunächst deutete auch alles in diese Richtung: Nach der Matura in Graz, studierte er Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, dazu auch Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, zwischendurch zwei Studienaufenthalte auf renommierten Weingütern in der Burgund in Frankreich.
Doch in Erich brennt immer eine zweite Leidenschaft – die zur Musik. Er sang im Chor, spielte intensiv Klavier. Von 2008 bis 2013 absolvierte er ein Dirigierstudium am Konservatorium in Wien und galt als einer der aufstrebendsten Dirigenten Österreichs. Heute spielt das keine Rolle mehr. „Obwohl ich vorher in der Musik war, halte ich grundsätzlich von der großen Bühne nicht viel, der Ego-Zugewinn beispielsweise durch Weinpräsentationen hält sich in Grenzen“, gesteht Polz. Natürlich gibt es aber Parallelen. „Beides ist nur in einem Team umsetzbar, beim Dirigieren ist es das Orchester, im Weinbau sind es die 50 Mitarbeiter. Insofern war Dirigieren eine gute Ausbildung zur Führung. Du musst die Kraft haben, deine Vision durchzusetzen.“
Nebenher führte er jahrelang das Weingut Freigut Thallern in Niederösterreich, das seine Familie gepachtet hat. Dort ist seine Partnerin nach wie vor aktiv eingebunden. Eine Wochenend-Beziehung also, die sich laut Polz aber gut vereinbaren lässt.
DAS UMBRUCHJAHR 2020
2020 dann der Paukenschlag in der heimischen Weinszene – Die Familie wollte die Nachfolge regeln, löste das strategisch über Jahrzehnte entstandene etwas komplex geratene Geflecht an Eigentumsverhältnissen auf und verkaufte an einen Wiener Investor. Allerdings mit vertraglicher Rückkaufoption, und die zückte man wie geplant nach nur knapp 2 Monaten. „Durch den Generationenwechsel war es einfach notwendig geworden, eine saubere Lösung zu finden. In der Landwirtschaft kannst du keine unternehmerischen Entscheidungen treffen, wenn zu viele Menschen mitsprechen. Es braucht eine persönliche Vision, und die muss man alleine und kompromisslos umsetzen können.“
Polz achtet dabei nicht so sehr auf die Mitbewerber. Ein bißchen überraschend erzählt er mir, dass sich gerade die zwölf STK-Winzer untereinander wirklich sehr gut verstehen und auch freundschaftlich unterstützen. „Das ist viel mehr als lose Freundschaft. Wir lernen von einander, wir lassen das zu, wir gehen ehrlich miteinander um. Es ist eine schöne, außergewöhnliche Sache, mit den Kollegen Austausch zu haben“.
WEINGUT POLZ: ZURÜCK ZU DEN WURZELN
Zurückgeholt wurde also das Herzstück – das Weingut in Strass mit den legendären Polz-Lagen wie Grassnitzberg, Hochgrassnitzberg und Obegg sowie der dazugehörige Buschenschank. Bruder Christoph blieb für die Vinifikation zuständig, die Leitung des Weinguts ging an Erich. „Es fühlte sich vom ersten Moment richtig an. Genau so, als wäre ich nie weggewesen.“ Polz setzte sich mit der Ausgangslage auseinander, definierte was er will, und folgt nicht dem, was erwartet wird. „Wenn man dem treu bleibt, wird man zur Marke. Nicht von der Verpackung von außen nach innen zu arbeiten. Man muss ehrlich zu sich selber sein.“
Was bedeutet Genuss und Freizeit für den Vielbeschäftigten? Da muss er nicht lange nachdenken. „Ein gutes Gordon Cordon Bleu mit einer Weinempfehlung von Rene Kollegger beim Maitz ist schon was Besonderes. Gastfreundschaft ist einfach etwas Schönes.“ Generell kann er sich nicht mehr vorstellen, in der Stadt zu leben. „Es gibt ja das Sprichwort: Man bekommt den Bauern aus der Furche, aber nicht die Furche aus dem Bauern. Das trifft bei mir zu. Ich merke immer mehr, dass ich am Land aufgewachsen bin. So zeitweise Ausflüge auf Messen oder Auslandsreisen sind schön, aber ganz ehrlich, mehr kann ich mir nicht mehr vorstellen. Auch dieses Jetset-Feeling einer funktionierenden Dirigentenkarriere, wo man jedes Wochenende in einer anderen Stadt ist, da stellt es mir mittlerweile die Haare auf.“ Sehr sympathische Einstellung, finden wir. Nun ist er also das neue Gesicht des traditionsreichen Weinguts. Und der 37-Jährige hat konkrete Pläne: Weitere Dezente Reduzierung der Anbauflächen sowie die Umstellung auf biologisch-organische Bewirtschaftung. Bereits zugesagte Engagements als Dirigent erfüllt Polz noch, dann ist Schluss. Dirigentisch wird es zumindest etwas ruhiger. „Dann bin ich das, was ich eigentlich immer war – Weinbauer.“
Das Interview ist auch in der Zeitschrift OBEGG erschienen.